29. Oktober 2025

Neue EU-Maschinenverordnung (EU) 2023/1230

Von der Richtlinie zur Verordnung: Was Maschinenbauer jetzt umstellen müssen

Ab dem 20. Januar 2027 tritt die neue EU-Maschinenverordnung (EU) 2023/1230 vollständig in Kraft. Sie ersetzt die bisherige Maschinenrichtlinie 2006/42/EG und verändert damit grundlegende Anforderungen an Sicherheit, Dokumentation und Nachweisführung im Maschinenbau.
Was heute noch als gute Praxis gilt, wird bald verbindlich vorgeschrieben sein.

Mit der neuen Verordnung gilt das EU-Recht direkt und einheitlich in allen Mitgliedsstaaten. Ohne nationale Umsetzungsspielräume.

„Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat“

Artikel 54 der EU-Maschinenverordnung

Damit endet die bisherige Praxis, in der Länder nationale Anpassungen vornehmen konnten.
Jedes Unternehmen, das Maschinen entwickelt, fertigt oder in Verkehr bringt, muss künftig nach denselben Vorgaben handeln.

Während die alte Richtlinie vor allem die mechanische Sicherheit betonte, richtet die neue Verordnung ihren Blick stärker auf digitale Technologien, vernetzte Systeme und Software-Risiken.

Laut TÜV Süd wird der Begriff Maschine nun ausdrücklich um Software-Komponenten erweitert und Sicherheitsfunktionen mit KI-Anteilen berücksichtigt.

Die Sicherheit einer Maschine muss künftig über ihren gesamten Lebenszyklus, inklusive Software-Updates und Änderungen, gewährleistet bleiben.

Konstruktionsnachweise werden zum Pflichtbestandteil

Besonders relevant für Konstruktion und Entwicklung ist Anhang IV der Verordnung.
Dort sind die Inhalte der „technischen Unterlagen“ präzisiert, die ein Hersteller bereithalten muss, darunter:

  • Konstruktions- und Fertigungszeichnungen

  • Berichte und Ergebnisse der Berechnungen, Prüfungen und Inspektionen

  • Dokumentierte Risikobeurteilung einschließlich der angewandten Normen

Diese Dokumente dienen nicht mehr nur als interne Entwicklungsgrundlage, sondern bilden künftig einen rechtlich relevanten Nachweis gegenüber Marktaufsichtsbehörden.

In der Branche geht man davon aus, dass Hersteller künftig deutlich stärker belegen müssen, wie sicherheitsrelevante Berechnungen durchgeführt und dokumentiert wurden.

Kurz gesagt: Die Nachvollziehbarkeit der Berechnung wird Teil der Compliance.

ABER: was gilt als Maschine und wen betrifft die Verordnung indirekt?

Maschine (vereinfacht): Eine funktionsfähige Gesamtheit aus Teilen mit mindestens einem beweglichen Teil und einem Antrieb, die für eine bestimmte Anwendung zusammengefügt ist. Dazu zählen auch Zusammensetzungen mehrerer Maschinen sowie Einheiten, denen nur noch die anwendungsspezifische Software fehlt.

Unvollständige Maschine: Funktionale Baugruppen mit eigener Aufgabe (z. B. Antriebsstrang, Aggregat), die erst nach Einbau in eine andere Maschine vollständig sind. Für sie gelten Montageanleitung und Einbauerklärung.

Bauteil/Komponente: Einzelteile wie Wellen, Lager, Schrauben oder Gehäuse. Sie sind für sich allein keine Maschine und fallen nicht direkt unter die Maschinenverordnung.

 

Indirekte Pflichten für Zulieferer

Auch wenn Komponentenhersteller nicht unmittelbar adressiert sind, entsteht eine mittelbare Pflicht:
Der Maschinenhersteller muss ab 2027 vollständige technische Unterlagen und eine Risikobeurteilung vorlegen. Dazu benötigt er Nachweise seiner Zulieferer wie Festigkeitsberechnungen, Werkstoffdaten, Prüfprotokolle, Lebensdaueransätze, Normbezüge.
Diese Nachweise werden Teil der CE-Dokumentation der späteren Maschine.

Konsequenz:

  • Zulieferer müssen ihre Auslegungen strukturiert, nachvollziehbar und normbasiert dokumentieren, damit der Maschinenhersteller seine MV-Pflichten erfüllen kann.

  • Das ist rechtlich oft vertraglich geregelt und auditrelevant, auch wenn die MV formal nur den Inverkehrbringer der Maschine adressiert.

 

Warum das Excel-Thema heikel ist

Viele Unternehmen nutzen noch Excel oder Eigenlösungen. Das ist flexibel, aber oft nicht standardisiert, schwer auditierbar und nicht revisionssicher.
Für CE-Nachweise zählt künftig: normbasierte Verfahren, reproduzierbare Ergebnisse, klare Parameternachverfolgung und ein prüffähiges Ausgabeformat.

Digitalisierung ist ausdrücklich vorgesehen und gefordert

In Artikel 10 Absatz 7 erlaubt die EU erstmals die digitale Bereitstellung von Betriebsanleitungen, Risikobeurteilungen und technischen Unterlagen, sofern diese leicht zugänglich, speicher- und druckbar sind.

Hersteller müssen sicherstellen, dass diese Dokumente mindestens zehn Jahre lang online abrufbar bleiben. Die IHK Baden-Württemberg beschreibt das als Chance, aber auch als Verpflichtung:
Unternehmen müssten nachweisen können, dass der Zugang über den gesamten Zeitraum hinweg funktioniert habe.

In der Praxis bedeutet das: Die Dokumentation wandert aus dem Aktenordner in strukturierte, digitale Systeme. Lösungen, die Berechnungen automatisch erfassen, dokumentieren und in langzeitstabile Formate wie PDF/A überführen, bieten hier klare Vorteile. Nicht nur zur Einhaltung der Verordnung, sondern auch zur Sicherung von Wissen im Unternehmen.

Nutzen Sie die Übergangszeit

Auch wenn die Übergangsfrist bis 2027 großzügig klingt, warnen viele Fachverbände davor, dass die Anpassung von Prozessen, Berechnungsabläufen und Dokumentationsstandards mehr Zeit beansprucht als erwartet.

Insbesondere Unternehmen mit komplexen Produktstrukturen sollten prüfen:

  • Welche Konstruktions- und Nachweisdokumente liegen digital und vollständig vor?

  • Entsprechen bestehende Berechnungsberichte den Anforderungen an Nachvollziehbarkeit und Prüfbarkeit?

  • Wie werden Software-Änderungen und Updates dokumentiert und versioniert?

Klar ist: Ab 2027 gelten neue Maßstäbe für technische Nachweise.
Marktaufsichtsbehörden werden künftig auf vollständige, konsistente und prüffähige Dokumentationen achten.

Fazit

Die neue EU-Maschinenverordnung ist weit mehr als eine rechtliche Formalität.
Sie greift tief in Entwicklung, Risikobeurteilung und Nachweisführung ein und macht digitale Prozesse zum Standard.

Konstrukteure und Entwicklungsleiter, die ihre Systeme frühzeitig anpassen, sichern nicht nur ihre Compliance, sondern schaffen sich einen deutlichen Effizienzvorsprung in Konstruktion, Qualitätssicherung und Dokumentation.

Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, bestehende Prozesse zu prüfen und sicherzustellen,
dass Berechnungen, Nachweise und Dokumentationen den Anforderungen der Zukunft standhalten.

MDESIGN unterstützt bei der Umsetzung

Digitale Lösungen wie MDESIGN helfen dabei, technische Nachweise effizient, nachvollziehbar und normgerecht zu erstellen.
Eingaben, Berechnungsschritte und Ergebnisse werden automatisch dokumentiert und als prüffähiger Bericht im PDF/A-Format ausgegeben. Eine wertvolle Grundlage, um die künftigen Anforderungen der Maschinenverordnung sicher zu erfüllen.

Quellen & weiterführende Informationen

  • EU-Kommission: Verordnung (EU) 2023/1230 über Maschinen, Amtsblatt der Europäischen Union, 29. Juni 2023 Link

  • TÜV Süd: Fachbeitrag „Maschinenverordnung: Was sich ändert und was Hersteller jetzt wissen müssen“, 2024 Link

  • IHK Region Stuttgart: Leitfaden „Neue EU-Maschinenverordnung gilt ab 2027 – Übergang langfristig vorbereiten“, 2024 Link